Lichtspiele

Lichtspiele und Farbwelten

Denn das eigentliche Medium der Verlebendigung der Preziosen und Artefakte ist das Licht: Reflexe, Schattierungen, Schatten, Bewegungen sind Elemente, die sogar die härtesten Materialien beleben können. Auch Beckers Farben, Lapislazuli aus Afghanistan, grauer Dolomit aus China, grüner Granat aus Sibirien und leuchtendes Rot, das nur als Pigment zu haben ist, nicht zu vergessen das Gold, dessen immer matt gefeilte Oberflächenstruktur er in allen Hell-Dunkel-Varianten v.a. als Farbe einsetzt, – bei der Wahl der Farben erlegt er sich strikte Beschränkung auf. Denn es ist ihm wichtig, dass auch die Farben materiell beständig sind; nicht etwa nur aufgemalt sind und ausbleichen können. Doch das einfallende Licht, die raffiniert konstruierten Überblendungen doppelter Ebenen lassen ebenso wie die exakt strukturierten Rahmungen der Räume und Farbsteine Lichtbahnen über die Steinlandschaften fallen, so, dass sie sich ständig verwandeln, bald hell aufscheinen, bald geheimnisvoll schimmern, zuweilen düster verglühen.

Im allgemeinen Sprachgebrauch ist der Begriff des Gesamtkunstwerks nahezu automatisch mit der Vorstellung von Größe, ja Gigantomanie verbunden. Man könnte ihm hier abschließend eine andere Wendung geben und, auch wenn es etwas paradox klingen sollte, mit Blick auf Beckers Werke von Gesamtkunstwerken en miniature zu sprechen. Kleine Gesamtkunstwerke, die mit hochartifiziellen Mitteln mitten ins Leben zielen und sich selbst Botschaft genug sind. Keine Metaphern, keine Symbole, schon gar keine Mythen. Das Ding an sich, seine Idee, sein Sich-Materialisieren, sein Aufleben am Körper einer Trägerin sind Mysterium genug.

Nicht zuletzt sind Beckers Schmuckstücke, gerade weil sie mit jeder Bewegung, jedem Lichtwechsel ihrerseits Lichtsignale senden, auch so etwas wie Medien visueller und taktiler Kommunikation. In einer Welt inflationärer virtueller Bildüberflutungen ist solch eine phantasievolle Neuordnung der konkreten sinnlichen Erfahrbarkeit fast ein Politikum. Es geht um nichts Geringeres als um die Wiedereroberung der eigenen Wahrnehmung, der Materialität, der Dinglichkeit. Und so sind Michael Beckers Schmuckobjekte auch Instrumente im Kampf um Eigensinnlichkeit und eine hautnah erfahrbare Mystik der „Oberflächlichkeit“.

 

Jürgen Wertheimer und Cornelie Ueding